Sie kam zu mir mit zitternden Händen und einem festen Vorsatz: „Ich will endlich keine Angst mehr haben.“
Nennen wir sie Marie. 28 Jahre alt. Von außen unauffällig, freundlich und still. Innerlich ein Leben im Alarmzustand.
Nicht nur Angst vor bestimmten Situationen, sondern eine Grundangst. Wie ein ständiges Hintergrundrauschen, das sagt: „Gleich passiert etwas Schlimmes.“
Sie erzählte von Herzrasen beim Aufwachen, Druck im Brustkorb, einem ständigen Grübeln und Schlaflosigkeit. Medizinisch war alles in Ordnung. Psychologisch hieß es „generalisiertes Angstsyndrom“.
Aber für sie war es einfach nur
„Ich halte mich selbst nicht mehr aus.“
Erste Sitzung: Der Körper spricht lauter als die Worte
Schon beim ersten Termin bemerkte ich, dass ihr Körper in Daueranspannung war. Die Schultern waren hochgezogen, die Atmung flach und der Blick wachsam.
Als ich sie in die Hypnose führte, dauerte es lange, bis sie loslassen konnte. Und dann kam ein Bild, es war kein Ort auch kein Ereignis, nur das Gefühl von
Einem kalten Raum, ohne Licht. Und jemand ruft nach Hilfe. Kein Ton, nur Angst.
Sie öffnete die Augen und sagte: „Das bin ich. Jeden Tag.“
Zweite Sitzung: Die Angst bekommt ein Gesicht
Wir arbeiteten weiter, sehr behutsam. In einer tieferen Hypnose tauchte eine Szene auf:
Ein kleines Mädchen, versteckt unter einem Tisch, die Hände über dem Kopf. Im Hintergrund laute Stimmen und Türen schlagen.
Sie ist voller Angst und es ist niemand da um sie zu beruhigen.
Sie fühlt nur Chaos und keine Sicherheit.
Marie sagte mit brüchiger Stimme: „Ich habe nie gelernt, wie sich Sicherheit anfühlt.“
Dritte Sitzung: Die Angst als Beschützer
Die Angst zeigte sich plötzlich als Gestalt, nicht als Monster, sondern als dünne, wachsame Figur mit großen, aufgerissenen Augen. Immer bereit zu fliehen.
Ich fragte sie: „Was, wenn sie nicht dein Feind ist, sondern der Teil in dir der dich schützen wollte, als niemand anderes es tat?“
Sie sah dieses innere Bild lange an. Dann flüsterte sie: „Ich bin wütend auf sie und gleichzeitig dankbar.“
Das war der Moment, in dem die Angst weniger bedrohlich wurde. Die Angst bekam einen Sinn.
Vierte Sitzung: Ein sicherer Ort entsteht
Wir begannen, einen inneren Ort zu erschaffen ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit.
Ein kleines Zimmer mit einem Fenster und einem Kaminfeuer.
Ich bat sie, das ängstliche Kind dorthin einzuladen.
Das Kind blieb zuerst im Türrahmen stehen. Dann setzte es sich ganz vorsichtig an den Rand eines weichen Sessels.
Fünfte Sitzung: Der erste tiefe Atemzug
Sie kam mit einem leichten Lächeln. „Ich habe zum ersten Mal durchgeschlafen“, sagte sie. „Und als ich heute Morgen Angst gespürt habe, bin ich nicht weggelaufen. Ich habe meine Hand auf mein Herz gelegt und gesagt: Ich bin da.“
Es war nicht die Angst, die verschwunden ist, sondern ihr Kampf dagegen.
Heute
Die Angst ist noch da. Aber sie bestimmt nicht mehr jeden Atemzug.
Marie sagt jetzt Sätze wie
„Ich habe Angst, aber ich bin nicht die Angst.“
Sie lernt, ihren Körper zu spüren, ohne ihn sofort zu kontrollieren.
Sie hat wieder begonnen zu malen in schönen bunten Farben, nicht nur in Grau.
Und beim letzten Termin sagte sie
„Ich glaube, es geht nicht darum, angstfrei zu leben. Sondern trotz der Angst lebendig zu sein.“
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