Kindergarten in Kanada

 

Wenn ich an die ersten Jahre eines Kindes denke, dann denke ich an ein weiches Nest, an Wärme, an Sicherheit und an Menschen, die mit dem Herzen sehen. Gerade in dieser sensiblen Zeit ist es so entscheidend, wie ein Kind empfangen wird, ob es funktionieren muss oder ob es in seinem eigenen Tempo wachsen darf.

In Kanada funktioniert das Thema „Kindergarten“ ganz anders als bei uns in Deutschland. Es gibt kein einheitliches staatliches Betreuungssystem. Jede Provinz hat ihre eigenen Regeln, Begriffe und Strukturen. Was uns in Deutschland so vertraut ist  Krippe, Kita, Vorschule findet sich dort in ganz anderen Formen wieder. Das kann am Anfang verwirrend sein, aber es birgt auch neue Möglichkeiten.

Für Kinder ab vier oder fünf Jahren beginnt der sogenannte Kindergarten, und zwar meist als Teil der Grundschule. In Ontario z. B. gibt es den Junior Kindergarten (JK) und den Senior Kindergarten (SK), jeweils ein Jahr vor der eigentlichen ersten Klasse. Der große Unterschied: Dieser Kindergarten ist kostenlos und gehört bereits zum staatlichen Schulsystem. Die Kinder gehen meist ganztägig dorthin, von etwa 9 bis 15 Uhr, es gibt aber auch halbtägige Modelle.

Für viele deutsche Eltern ist das eine Umstellung denn dieser Kindergarten ist kein Ort zum Spielen im klassischen Sinne, sondern eine Art sanfter Schulanfang. Es wird schon gezielt gefördert: mit Buchstaben, Zahlen, kleinen Gruppenprojekten, Bewegung und Kreativarbeit. Und gleichzeitig wird der emotionale und soziale Aspekt großgeschrieben. Die Kinder lernen, sich in einer Gruppe zu bewegen, Konflikte zu lösen, ihre Meinung zu äußern.

Was mir auffällt ist die Lehrer:innen begegnen den Kindern sehr achtsam. Es wird nicht streng bewertet, sondern liebevoll begleitet. Das Verhalten des Kindes ist oft wichtiger als seine Leistung. Und Fehler werden als Teil des Lernens verstanden, nicht als Makel.

Für Kinder unter vier Jahren gibt es sogenannte Daycares oder Preschools, das sind Einrichtungen, die eher unseren Krippen oder Kitas entsprechen. Sie sind meist privat oder halbprivat, manchmal auch kirchlich organisiert oder an Schulen angegliedert. Die Kosten variieren stark je nach Region, Qualität und Betreuungszeiten. In Städten wie Toronto oder Vancouver sind sie hoch, in kleineren Orten manchmal erschwinglicher.

Die Plätze sind begehrt, die Wartelisten lang deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig zu informieren. Einige Provinzen (wie Québec oder British Columbia) haben in den letzten Jahren begonnen, stärker zu fördern mit dem Ziel, Betreuung für alle zugänglich zu machen.

Was mir persönlich sehr gefällt: Viele dieser Einrichtungen arbeiten sehr naturverbunden. Draußen sein ist selbstverständlich, auch bei Regen oder Schnee. Die Kinder lernen spielerisch mit Pflanzen, Steinen, Wasser, Tieren, sie werden eingeladen, mit allen Sinnen zu erleben.

Und noch etwas, kulturelle Vielfalt ist selbstverständlich. Kinder aus aller Welt treffen sich in einer Gruppe. Unterschiedliche Sprachen, Hautfarben, Religionen, das ist in Kanada Alltag. Ich empfinde das als unglaublich wertvoll. Die Kinder lernen von Anfang an, dass Vielfalt normal ist. Dass jeder dazugehört, dass Anderssein nicht gefährlich ist, sondern bereichernd.

Meine Enkelkinder sind in Gatineau, einer Stadt in der Provinz Québec, in einen Montessori-Kindergarten gegangen und sie haben sich dort sehr wohl und geborgen gefühlt. Die liebevolle Atmosphäre, die Freiheit im Lernen und das Verständnis für jedes einzelne Kind haben ihnen gut getan. Als Großmutter habe ich gespürt, dass sie dort gesehen wurden nicht als kleine Schüler, sondern als kleine Menschen auf ihrem eigenen Weg.

Natürlich ist nicht alles rosig. Es gibt auch hier Qualitätsunterschiede, Fachkräftemangel, schwierige Zeiten in der Eingewöhnung. Aber insgesamt ist die Haltung oft: Was braucht dieses Kind und wie können wir es darin unterstützen, sich selbst zu entfalten?

Genau das wünsche ich mir für jedes Kind und für jede Mutter, die ihr Kind in einem neuen Land begleitet: dass sie spürt, ihr Kind ist dort willkommen, wo es landet nicht nur organisatorisch, sondern im Herzen.

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