Mein Spaziergang um den geheimnisvollen Pink Lake

 

An einem stillen, goldenen Nachmittag machte ich mich auf den Weg zum Pink Lake, diesem geheimnisvollen, tiefgrünen Juwel mitten im Gatineau Park. Die Sonne stand weich am Himmel, die Bäume spiegelten sich wie gemalt im Wasser, und die Luft roch nach Wald, Moos und einem Hauch von Geschichte.

Ich hatte gelesen, dass der Pink Lake ein meromiktischer See ist, ein seltenes Phänomen, bei dem sich die Wasserschichten nie vermischen. In der Tiefe des Sees leben Bakterien, die kein Licht und keinen Sauerstoff brauchen. Fast wie ein stiller Zauber, der unter der glatten Oberfläche verborgen liegt. Und obwohl der Name „Pink Lake“ etwas anderes erwarten lässt, leuchtet der See in einem beinahe überirdischen Grün, besonders im Spätsommer, wenn die Algen im Licht tanzen. Seinen Namen verdankt er übrigens nicht der Farbe, sondern einer irischen Siedlerfamilie, den Pinks, die sich 1826 hier niederließen.

Der Rundweg war friedlich, kaum ein Laut war zu hören außer dem Rascheln der Blätter und dem leisen Plätschern des Wassers. Plötzlich blieb ich stehen. In einem kleinen sonnengewärmten Seitenarm des Sees regte sich etwas. Ich trat vorsichtig näher und da war sie, eine Schildkröte. Groß, ehrwürdig, als würde sie das uralte Wissen des Sees in sich tragen. Sie bewegte sich langsam, beinahe meditativ, ihr Panzer glänzte wie poliertes Steinzeug. Ich kniete mich hin, hielt den Atem an. So viel Kraft in dieser Langsamkeit. So viel Leben in dieser Stille.

Kaum zehn Minuten später geschah das Gegenteil: Ich hörte ein wildes, panisches Geschnatter. Aufgeregt flatternde Flügel. Zwei Kanadagänse, die mit weit ausgebreiteten Flügeln und gereckten Hälsen auf einen unsichtbaren Eindringling losgingen. Und zwischen ihnen, zitternd am Ufer, ein flauschiges, kleines Küken. Es war ein kraftvoller Moment, zu sehen, wie bedingungslos diese Tiere ihr Junges verteidigten. Der See hatte sich plötzlich von einem stillen, spiegelnden Ort in ein pulsierendes, beschützendes Leben verwandelt. Ich stand da, gebannt, bewegt, tief berührt.

Der Weg führte mich weiter, vorbei an moosbewachsenen Steinen und Holztreppen, die mir das Gefühl gaben, in eine andere Welt hinabzusteigen. Ich stellte mir vor, wie das Wasser vor Tausenden Jahren noch salzig war, Meeresfische hier schwammen, sich das Land veränderte, aus Salz Süße wurde und das Leben neue Formen fand.

Als ich am Ende des Rundwegs wieder auf den Ausgangspunkt traf, hatte sich etwas in mir verändert. Ich hatte nicht nur einen Spaziergang gemacht, ich war eingetaucht in eine Landschaft, die uralt ist und doch voller Bewegung. Ich hatte einer Schildkröte zugeschaut und einer Gänsefamilie beim Verteidigen ihrer kleinen Welt. 

Vielleicht werde ich eines Tages zurückkommen, um zu sehen, ob die Schildkröte wieder da ist. Ob das Gänsekind inzwischen fliegt. Oder ob der See mir ein neues Geheimnis zeigt. Denn der Pink Lake ist nicht einfach ein See. Er ist eine Geschichte, die weitergeht, jedes Mal, wenn jemand innehält und wirklich hinschaut.

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