Barbara-Kraut, eine stille Verbündete durchs ganze Jahr

 

Im Frühling, wenn es überall sprießt und grünt, zieht mich ein besonderes Kraut immer wieder in seinen Bann, das Barbara-Kraut, auch bekannt als Winterkresse. Noch sind ihre zarten gelben Blüten nicht verblüht, sie leuchten mir entgegen wie kleine Sonnen, scharf, würzig, wild. Ich pflücke sie vorsichtig und streue sie über meinen Salat. Ihre Schärfe belebt, ihr Duft weckt eine Ahnung von uralter Pflanzenkraft. Obwohl sie so unscheinbar aussieht, ist sie eine meiner liebsten Wildkräutergefährtinnen im Jahreskreis.

Die Blüten des Barbara-Krauts sind essbar, voller Senföle und kleiner Heilimpulse. Sie schmecken leicht nach Kresse, ein bisschen wie Rucola mit einem Hauch Wildheit. Ich liebe sie im Frühlingsquark, auf frischem Brot mit Butter oder als kleine Überraschung im Kräuterpesto. Sie erinnern mich daran, dass Heilkraft nicht laut sein muss. Sie darf leise sein und dennoch wirken.

Im späten Frühling beginnt das Kraut sich zurückzuziehen. Die Blüten verblühen, der Stängel verholzt, die Blätter werden bitter. Viele andere Pflanzen stehen dann in voller Pracht. Und hat das Barbara-Kraut seinen Zauber bereits entfaltet. Wer es kennt, weiß, wo es wurzelt und wartet auf seine stille Rückkehr im Herbst.

Denn was viele nicht wissen, Barbara-Kraut ist eine zweijährige Pflanze, und sie kommt zurück ganz still, ganz heimlich sobald der Sommer sich neigt. Im Spätsommer keimt es neu, legt sich als kleine grüne Rosette auf die feuchte Erde und bleibt dort. Es duckt sich unter den ersten Nebeln, trotzt dem Regen, trotzt dem Frost. Während alles andere sich zurückzieht, bleibt es grün.

Im Herbst und Winter wächst es langsam weiter, unbeeindruckt von Kälte und Dunkelheit. Und gerade dann, wenn der Körper nach Wärme, Bitterstoffen und Lebenskraft verlangt, ist es da, bereit, gepflückt zu werden. Ich finde das tief berührend. Während wir Menschen uns oft vom Winter lähmen lassen, bleibt das Barbara-Kraut wachsam, lebendig, nährend. Es ist eine Pflanze der inneren Kraft, eine Überlebenskünstlerin. Eine, die uns zeigt, du musst nicht groß und laut sein, um wirksam zu sein.

In der dunklen Zeit des Jahres nutze ich ihre frischen Blätter wie eine Wintermedizin, ein paar davon aufs Brot, in die Suppe, in den Tee gemischt mit Brennnessel oder Schafgarbe. Ihre Schärfe wärmt, ihre Bitterstoffe regen die Leber an und ihre Mineralien stärken das Blut. Sie entlastet, klärt, und bringt Energie ins Fließen. 

Und dann, irgendwann im Frühling, wenn wieder alles zu blühen beginnt, sehe ich sie erneut aufblühen mit ihren gelben Blüten, still am Wegesrand. Und ich weiß, sie hat uns begleitet, durch den Wandel der Jahreszeiten. Wie eine leise Verbündete.

Barbara-Kraut ist für mich das Kraut des Durchhaltens, der Wandlung und der stillen Stärke.

Vielleicht begegnet sie dir ja beim nächsten Spaziergang, zwischen feuchtem Laub, am Bachufer oder unter einem Baum. Wenn du sie erkennst, spür kurz hin. Vielleicht erzählt sie dir etwas über deine eigene Kraft, die gerade still in dir wächst.

Von Herzen

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