
Sommerzeit, Rhythmus und Geborgenheit
Auch im Sommer, wenn scheinbar alles im Fluss ist, lohnt es sich, auf die innere Uhr unserer Kleinsten zu achten. Die warmen, langen Tage laden ein zu Lebendigkeit, Spiel und Bewegung und doch brauchen gerade Babys und Kleinkinder in dieser lichtvollen Jahreszeit einen sanften Rahmen, um sich nicht in Überreizung zu verlieren.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin folgt die sogenannte Organuhr dem natürlichen Rhythmus der Lebensenergie dem Qi, das im Verlauf von 24 Stunden durch verschiedene Funktionskreise fließt. Für kleine Kinder, deren Welt noch stark über den Körper erlebt wird, kann dieser Rhythmus wie ein innerer Anker sein. Er hilft, das Qi zu lenken, zu nähren und zu sammeln besonders im Sommer, wenn das äußere Yang stark ist und alles nach außen drängt.
Viele Eltern erleben, dass ihre Kinder in dieser Zeit reizbarer sind, schlechter schlafen oder emotional empfindlicher reagieren. Sie sind nicht zu viel sie brauchen einfach mehr Erdung, mehr Begleitung, mehr Rhythmus.
Die Organuhr ist kein starrer Zeitplan, sondern ein Angebot, ein intuitiver Wegweiser für mehr Achtsamkeit im Familienalltag. Und oft reichen kleine Veränderungen, um wieder mehr Ruhe, Verbindung und Leichtigkeit zu spüren.
Herzzeit (11–13 Uhr) – Verbindung, Freude, Ausdruck
In dieser Zeit dominiert das Herz, das Zentrum für Freude, soziale Bindung und emotionale Offenheit. Viele Kinder spüren dann einen natürlichen Bewegungsdrang, sind kontaktfreudig, lebendig, voller Mitteilungsbedürfnis. Es ist die beste Zeit für freies Spiel, gemeinsames Singen, Tanzen, Umarmen. Kinder sind jetzt besonders empfänglich für Resonanz, sie wollen gesehen werden, ganz ohne Bewertung.
Wichtig ist, diese Offenheit nicht mit äußeren Reizen zu überlagern. Kein Bildschirm, kein Terminstress, kein „Jetzt musst du aber…“. Stattdessen echte Präsenz, echtes „Ich bin da“. Wenn ich mit einem Kind auf der Wiese sitze, barfuß, mit ein paar bunten Tüchern oder einem Klanginstrument, entsteht Magie ganz ohne Aufwand.
Praktische Impulse
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Eine halbe Stunde ganz ohne Handy, ohne Unterbrechung einfach nur mit dem Kind sein.
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Spiel mit Wasser, barfuß im Garten, Klangschalen oder weiche Stofftücher zum Tanzen.
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Blickkontakt und Berührung statt Worte, Nähe wirkt intensiver als Sprache.
Dünndarmzeit (13–15 Uhr) – Verdauen, Ruhen, Verarbeiten
Nach dem Mittagessen zieht sich das Qi in der TCM in den Dünndarm zurück. Es ist die Zeit für innere Verarbeitung, körperlich wie seelisch. Auch wenn viele Kinder keinen Mittagsschlaf mehr machen, tut ihnen eine Ruhepause gut. Sie müssen nicht schlafen, aber sie dürfen loslassen. Eine Fantasiereise, ein Bilderbuch, leise Musik, Kuscheln, all das bringt das Qi zurück ins Zentrum.
Diese Phase ist besonders wertvoll, um den Tag zu verlangsamen. Sie ist wie eine weiche Brücke zwischen dem äußeren Tun und dem inneren Sein.
Praktische Impulse
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Kuschelecke-Zeit einführen, mit Buch, Decke, vielleicht einem leisen Lied.
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Auch mehrere Kinder können gemeinsam zur Ruhe kommen, Hauptsache, der Raum ist weich.
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Kein jetzt schlaf doch, sondern, wir machen’s uns gemütlich, du darfst einfach nur liegen.
Blasen- und Nierenzeit (17–21 Uhr) – Rückzug, Regeneration, Ankommen
Diese Abendstunden gehören laut TCM der Blase und der Niere den Organen, die mit Rückzug, tiefer Sammlung und Regeneration verbunden sind. Im Sommer ist es verlockend, die Kinder lange toben zu lassen. Doch genau jetzt braucht der Körper Hilfe, um das viele Yang vom Tag nach unten zu leiten. Denn nur wenn das Yang gebunden wird, kann sich das Herz schließen und der Schlaf darf kommen.
Ein warmes Bad oder eine Dusche, ein Fußbad mit Lavendel oder Rosenblättern, ein Ölritual mit einer kleinen Bauchmassage, all das bringt das Qi zurück in die Tiefe. Auch eine kurze Rückschau auf den Tag ist heilsam, weißt du noch, wie du heute dem Schmetterling nachgelaufen bist, das sind Sätze, die binden. Sie machen die Seele ruhig.
Praktische Impulse
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Jeden Abend ein gleiches, liebevolles Ritual: Bad, Öl, Geschichte, Lied.
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Leises Licht, kein grelles Spielzeug, kein Fernsehen, die Welt darf weich werden.
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Ein Mantra wie „Ich bin sicher und geborgen“ oder „Mein Herz schlägt leise“ beim Einschlafen.
Die Organuhr im Alltag – eine Einladung, kein Muss
Natürlich läuft der Alltag nicht immer nach Plan. Und kein Kind hält sich genau an Zeitfenster. Das muss es auch nicht. Die Organuhr ist kein System, das du streng befolgen musst, sondern eine Einladung zum Hinspüren. Was braucht mein Kind gerade? Und was brauche ich?
Vielleicht gelingt es dir an einem Tag, ganz im Rhythmus zu leben und am nächsten läuft alles durcheinander. Das ist in Ordnung. Was zählt, ist die Haltung, liebevoll, offen und verbunden. Kinder spüren das. Sie spüren, wenn jemand versucht, sie nicht zu erziehen, sondern zu begleiten.
Wenn du die Organuhr als inneren Kompass nutzt, wird dein Familienalltag nicht unbedingt stiller, aber vielleicht sanfter. Und oft genügt das schon, um aus Chaos Verbindung werden zu lassen.
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